Trotzphase aka Autonomiephase

Ist mein Kind unnormal? Vermutlich hast du dich das auch schon mal gefragt. Ich frage mich das schon eine ganze Weile und zwar deshalb, weil mein Sohn eigentlich gar keine Trotzphase hatte.

Ich hasse den Begriff Trotzphase! Die Kinder sind nicht trotzig! Sie werden nur am laufenden Band missverstanden.

Deshalb verwende ich lieber den Begriff Autonomiephase. Denn darum geht's in diesem Lebensabschnitt: Die Kinder möchten selbstständig werden. Das ist keine freie Entscheidung von ihnen, sondern ein vollkommen natürlicher Entwicklungsschritt.

Also, warum hat unser Sohn keine türknallenden Wutanfälle? Warum schmeißt er sich nicht im Supermarkt auf den Fußboden und schreit? Warum tritt er mir nicht vor's Schienbein und brüllt mich an?

Kurz: Ich hab absolut keine Ahnung.

Aber ich vermute, dass es damit zusammenhängt, wie ich mit ihm und mit Konflikten umgehe. Dem zugrunde liegt anscheinend meine Hochsensibilität. So sehe ich Konflikte oft, bevor sie entstehen. Ich sehe meinem Sohn an, wenn etwas in ihm arbeitet; wenn seine Stimmung kippt oder etwas nicht in Ordnung für ihn ist.

Ganz oft sind ganz einfache Missverständnisse der Grund. Erst heute hatten wir so ein richtig lächerlich dämliches Missverständnis:

Mein Sohn und ich kamen vom Einkaufen zurück. Es war Nachmittag und gerade Snack-Zeit. Er fragte: "Mama, kann ich welche von den Brombeeren haben, die du mir gekauft hast?"

Ich war verwirrt. Ich hatte echt ziemlich viele Sachen gekauft, aber keine Brombeeren. Ich grübelte, dachte nochmal nach und begann gedankenverloren, den Kopf zu schütteln. Sofort senkten sich die Mundwinkel meines Kindes und Tränen stiegen in seinen Augen auf.

Viele Eltern hätten in der Situation völlig genervt solche Sachen gesagt, wie "Warum heulst du denn jetzt? Ich hab keine Brombeeren gekauft! Warum behauptest du das? Du warst doch selber beim Einkaufen dabei! Du weißt genau, dass wir keine Brombeeren gekauft haben!" Und schon wäre da dieser Heul-Wutanfall, von dem andere Eltern immer berichten. Der sich schnell hochgeschaukelt hätte und irgendwer hätte am Ende eine Tür zugeknallt.

Ich ging stattdessen erstmal in die Hocke (auf Augenhöhe) und fragte: "Okay, ich bin mir ganz sicher, dass wir irgendwie aneinander vorbei reden. Brombeeren sind Obst. So kleine schwarze Eumel, mit Nuppsies dran. Die haben wir aber nicht gekauft. Erklär mal, was du meinst."

Mein Sohn wischte sich die eine Träne aus dem Augenwinkel. "Nein, kein Obst! Nicht schwarz! Diese, in der grünen Tüte!"

A-haaa! augenglas

"Oh, Spatz!", sagte ich lachend und strich ihm zärtlich eine Haarsträhne aus der Stirn. "Du meinst Pombären! Das sind doch Chips!" Ein Strahlen erfüllte sein Gesicht. "Ach jaah, Pombären!"

Einfach nur ein total albernes Missverständnis, das total hätte eskalieren können. Ist es aber nicht, weil ich mir sicher war, dass mein Kind genau weiß, was Brombeeren sind und auch genau weiß, dass wir die nicht gekauft haben. Infolgedessen war mir klar, dass hier ein Missverständnis vorliegen musste.

 

Aber ich sage es nochmal: Jedes Kind ist anders. Dass es auch bei deinem Kind funktioniert, auf diese Weise vorzugehen, erscheint mir zwar logisch - aber ich bin auch manchmal einfach im Unrecht. Folglich kann ich dir das nicht garantieren. Aber was schadet ein Versuch? zwink