Ich war nie ein Mensch, der leichtfertig anderen vertraut. Ich war froh, zu wissen, wer ich bin. Was ich bin. Mein Moralkompass war gut ausgerichtet. Richtig und falsch konnte ich anhand meiner eigenen Moral sehr gut unterscheiden.

Dann waren wir dem Alkoholismus meines Vaters wehrlos ausgeliefert. Und genau dann wurde ich schwanger. Alles geriet aus den Fugen. Alles geriet ins Wanken. Und wir flüchteten. Denn da war jemand in unserem Leben, der uns die Hand reichte. Zur Rettung, wie ich dankbar feststellte. Er holte mich heraus, aus dieser Abwärtsspirale.

Menschen wie ich, gehen durchs Leben und glauben daran, dass eines Tages jemand auftaucht und einen rettet. Vor dem Leben, dem Tod oder vor sich selbst - keine Ahnung. Ich glaubte aber daran. Und da war er also: Er gab uns ein neues Zuhause und Arbeit.

Als dann das Baby geboren wurde und unsere Welt auf einmal nochmals auf dem Kopf stand und ich gänzlich die Kontrolle verlor, war er da. Er fing mich auf, hielt meine Hand und versprach felsenfest, mich niemals loszulassen. Er sagte, er sei mein Freund und dass er für immer auf mich aufpassen würde. Dass ich die Kontrolle ruhig loslassen könne, denn er sei ja da, um mich zu beschützen.

Und eines Tages stand ich vorm Spiegel und schaute in mein verquollenes, verheultes, panisches Gesicht und fragte mich, wie es dazu kommen konnte. Wer war ich? Wie war ich so geworden? Ich hatte Dinge getan, die falsch waren, war aber sicher, das Richtige getan zu haben. Ich tat Dinge, die völlig gegen meine Überzeugung gingen. Ich sagte Dinge, die andere verletzten - in voller Absicht. Plötzlich war ich manisch, ich war besessen und aggressiv. Meine gesamte Persönlichkeit hatte sich total verändert!

Von meinem wahren Ich war nichts mehr übrig. Ich war nur noch ein Haufen Schrott. Unwissend, was richtig oder falsch war. Obsessiv. Wie von einem Dämon befallen. Wahnhaft! Geradezu wahnsinnig. Und ich verstand es nicht. Ich verstand gar nichts mehr.

Dann - schließlich - brach der Kontakt zu meinem Retter ab.

Und im Laufe der darauffolgenden zwei Jahre wurde mir - auch durch andere Betroffene - ganz, ganz langsam klar: Ich war ein Opfer von psychischer Gewalt, durch einen krankhaften Narzissten geworden.

Mein vermeintlicher Retter hatte mich manipuliert und erpresst. Er hatte ALLES von mir genommen. ALLES, was ich hatte, raubte er mir. Meine Zeit, meinen Körper, meine Grenzen, meine Moral, meine Persönlichkeit, meine Seele. Und meinen Glauben an mich selbst. Meine Selbstsicherheit. Ich vertraute mir selbst nicht mehr. Er raubte mir einfach ALLES, bis nichts mehr übrig und ich für ihn nicht mehr von Nutzen war.

Ich hatte ihn mit offenen Armen in mein Leben gelassen. Hatte ihm etwas geschenkt, was sich zuvor noch jeder andere von mir hatte verdienen müssen: Mein uneinschränktes Vertrauen.

Und als alles vorbei war und ich endlich langsam aufwachte und es verstand, war es zu spät, die Wahrheit zu sagen. Denn er hatte einen zeitlichen Vorsprung. Er hatte bereits im Vorfeld dafür gesorgt, dass mir die Wahrheit niemand mehr glauben würde. Nun würde es so aussehen, als wäre ich in die Opferrolle geschlüpft, um mich als unschuldig und ihn als den Schuldigen hinzustellen.

Mit dieser Tatsache musste ich mich abfinden. Ich musste heilen. Auch ohne jemals die Gerechtigkeit zu erhalten, die mir zusteht.

Fragen durchbohren mich phasenweise Tag und Nacht. Warum habe ich das nicht gesehen? Warum habe ich noch niemandem uneinschränkt vertraut, aber ausgerechnet ihm? Warum hab ich mich nicht noch mehr gewehrt? Warum hab ich ihm geglaubt, wenn er etwas gesagt hat, aber nicht mir selbst oder dem gesunden Menschenverstand? Und warum hab ich niemandem etwas davon erzählt? Ich weiß es doch besser! Wie konnte ich so ein leichtes Opfer sein? Wie konnte ich das alles übersehen? WIE!?

Diese Fragen rauben mir den Verstand, weil ich weiß, dass ich darauf niemals Antworten finden werde.

Inside this life,
Under it's spell,
I close my eyes,
And live to tell.
The hands we're dealt,
Will never disappear.
Death she grows near.
People change,
And instantly.
I'm not the same girl,
I used to be.
I can't erase all the memories,
But I can explain,
If you're listening.
People change,
Not just me.
Locked up in silence,
A living hell.
My heart still beats, So I bid farewell.
The loving hand that saved me,
Held too tight.
His darkness weighs
On me at night.
People change,
And instantly.
I'm not the same girl,
I used to be.
I can't erase all the memories,
But I can explain,
If you're listening.
People change,
Not just me.
I never asked,
Or wanted to.
You stepped across my threshold,
How could you?

(Anna Waronker)