schlechte Charaktereigenschaften

"Scheiß auf das, was andere sagen!"

 

Ein guter Ratschlag. Einer, den jeder beherzigen sollte. Aber eben keiner wirklich tut. Du nicht. Ich nicht. Niemand, irgendwie. Wir sagen ständig, dass es uns nicht interessiert, was andere über uns denken.

 

Aber irgendwie tut es das doch. So heimlich. Tief in uns drin.

 

In meinem Leben wurde ich mit vielen schlechten Charaktereigenschaften beschrieben:

 

unverschämt - vorlaut - frech - unhöflich - unbequem - geisteskrank - behindert - armseelig - herablassend - egoistisch - klugscheißend - aufdringlich - verrückt - kindisch - trotzig - lächerlich - beleidigend - vorschnell - gemein - spießig - eingebildet - kaltherzig ... und die Liste wird ständig weitergeführt.

 

Sowohl von fremden Menschen, als auch von Menschen, von denen ich dachte, sie würden mich lieben (so, wie ich bin). Davon ausgenommen sind natürlich Personen, die mich lieben und solche Dinge mit einem Zwinkern sagen.

 

Manche Dinge davon treffen zu. Das will ich gar nicht schön reden. Verrückt bin ich ohne jeden Zweifel. Und ja, ich bin unverschämt, unhöflich, frech und unbequem. Ich sage, was ich denke. Dass das nicht jedem in den Kram passt, ist mir klar. Das ist auch meine Absicht.

 

Nur, wenn man die Leute richtig piesackt, bringt man sie dazu, nachzudenken. Sogar über sich selbst. Denn auch denen ist es nicht egal, was andere sagen. Zum Beispiel ich.

 

Letztens fragte mein Sohn mich "Mama, sind wir gute oder schlechte Menschen?" Solche elementaren Fragen, haut er gern in den unmöglichsten Situationen raus. In dem Fall saßen wir gerade im Auto und ich versuchte, rückwärts auszuparken. Ich stieß ein "Uff!" raus und seufzte erstmal tief. "Ich glaube, dass jeder Mensch beides ist", sagte ich dann. "Niemand ist nur gut oder nur böse. Jeder Mensch tut gute und böse Dinge gleichermaßen."

 

Ich möchte nicht, dass mein Sohn in dem Glauben aufwächst, die Welt sei einfach eingeteilt, in:

 

Schwarz & weiß.

Gut & böse.

Richtig & falsch.

Helden & Bösewichte.

 

Ich möchte, dass er auf sein Bauchgefühl hört. Jeder Mensch kommt mit einem inneren Moral-Kompass zur Welt. Den zu eichen, obliegt uns Eltern. Aber vorhanden ist er, ab dem Moment, in dem das Kind sein eigenes Bewusstsein nutzt.

 

Grenzen zwischen gut und böse, richtig und falsch, sind nicht immer deutlich erkennbar. Sie verschwimmen oftmals. Und manchmal steht man im Leben vor der Frage "Soll ich es tun oder nicht?" Und nicht erst die Band Fettes Brot haben festgestellt, dass die Antwort darauf, oftmals "Jein!" zu sein scheint.

 

Aber diese Stimme im Innern, die vom Moral-Kompass kommt, die ist da. Man muss nur mal innehalten und ganz leise sein, um sie hören zu können. Diese Stimme sagt dir auch, ob diese Leute Recht haben, wenn sie dir schlechte Charaktereigenschaften vorwerfen.

 

Du weißt selbst genau, wer und was du bist. Ein Teil von dir ist gut und ein Teil von dir ist böse. Du würdest dein Leben opfern, um das deines Kindes zu retten. Aber du würdest auch ein süßes Ferkel mit bloßen Händen töten, um deinen Sohn/deine Tochter vorm Verhungern zu retten, oder? Du sagst deinem Kind, dass es keine Hunde hauen darf, aber du erschlägst vor seinen Augen eine Spinne. Du erklärst deinem Kind, dass man eine Katze nicht am Schwanz hochheben darf, aber du schmierst ihm Leberwurst aufs Brot, die aus brutal geschlachteten Tierkadaverteilen entstanden ist. (Nein, ich bin keine Vegetarierin.)

 

Nein, ich will dich nicht verurteilen! Ich möchte dir aufzeigen, dass niemand von uns nur gut oder nur böse ist. Jeden Tag tun wir alle gute, aber auch schlechte Dinge. Das ist normal und macht uns Menschen eben aus. Je früher wir das akzeptieren, desto einfacher wird es.

 

Denn dann wird es viel einfacher, darauf zu scheißen, was andere sagen. Und genau das versuche ich, meinem Sohn irgendwie (Hilfe!) mit auf seinen Lebensweg zu geben. Ich bin ehrlich: Die Hälfte der Zeit weiß ich überhaupt gar nicht, was ich hier eigentlich tue. Infolgedessen wären die Charakterumschreibungen hilflos, kopflos, panisch und überfordert wahrscheinlich sehr zutreffend.

 

Denn es macht mir, ehrlich gesagt, eine Scheißangst, die Verantwortung dafür zu tragen, dass aus meinem kleinen Jungen irgendwann ein erwachsener Mann wird. Wenn ich etwas so richtig falsch mache, wird aus ihm vielleicht ein irrer Psychokiller. Ein Serienmörder, womöglich!

 

Wenn ich irgendwas Wichtiges richtig mache, wird aus ihm aber hoffentlich ein starker, netter, toleranter Mann, der alle Menschen gleich behandelt, hilfsbereit ist und glücklich werden kann.


Aber woher weiß man, ob man alles richtig macht, wenn man doch selbst - nach Meinung von außen -, ein schrecklicher Mensch zu sein scheint? Vielleicht ist man selbst ein Psycho und merkt es nicht.

 

Aber dann ist da der Moral-Kompass. Und wenn du all diese Stimmen der Gesellschaft mal einmal radikal zum Schweigen bringst und nur auf diesen Kompass und das kleine Stimmchen hörst, weißt du, ob du's richtig machst oder nicht. Klar, du bist dabei vielleicht nach außen hin nicht nett und vielleicht bist du sogar herablassend. Aber du erziehst hier ja auch nicht die Gesellschaft, sondern dein Kind! Die momentane Gesellschaft kannst du nicht ändern und es ist auch nicht deine Aufgabe.

 

Dein Kind zu einem Menschen zu machen, der später ein Teil ebendieser Gesellschaft werden wird - das ist deine Aufgabe! Das ist deine Verantwortung.

 

Und wenn du das hier gerade liest, bin ich mir sehr sicher, dass du das ganz, ganz toll machst und die Gesellschaft einen verdammten fuckig Scheißdreck über dich und die Liebe in deinem Herzen weiß! heartr

"Kinder sind der Anker, der eine Mutter an das Leben bindet." (Sófocles)