Erziehung ist schwierig. Familienleben auch. Aber warum?

Weil jeder Mensch einzigartig ist. Individuell. Ein Unikat. Jedes Kind. Jede Mama. Jeder Papa. Aus dem Grund ist logischerweise auch jede Schwangerschaft, jede Geburt und jedes Familienleben einzigartig. Eine Norm oder 08/15 gibt es nicht.

Was hat das zur Folge?

Die Folge ist, dass jede Mommy automatisch eine vollwertige Expertin für ihr Leben ist. Überlegt mal, was das bedeutet! Das bedeutet, die Welt da draußen, ist voll von Frauen, die auf einen unschätzbar großen Pool mit Erfahrungswerten zugreifen können!

Mit diesen vielen verschiedenen Erfahrungswerten, könnte man anderen Mommys helfen. Auf diese Weise könnte mit Vorurteilen aufgeräumt werden. Es könnten viele Fragen beantwortet werden. Es könnte klargestellt werden, dass es keine Normen gibt. Unsicheren, ängstlichen Mommys könnte geholfen werden, sich besser und selbstsicherer zu fühlen. Kindern könnte geholfen werden, damit sie sich mit ihren Eltern besser verstehen. Überforderung könnte schon im Keim erstickt werden. Medizinische, mentale oder seelische Probleme könnten schon bei der Entstehung bemerkt und behoben werden. Traumata könnten schon vor der Entstehung verhindert werden. Gewalt bei der Geburt könnte verhindert werden. Kindesmisshandlung aus Überforderung könnte verhindert werden. Und Vieles mehr!

So viele Dinge könnten Mommys füreinander tun. Sie könnten!

Aber sie tun's nicht.

Weil ihr Ego ihnen wichtiger ist. Jede von ihnen glaubt, den einzig wahren, den einzig richtigen Weg zu beschreiten und alle anderen müssen es gefälligst genauso machen, wie sie. Andernfalls sind sie schlechte Mütter und schlechte Menschen.

Hier mal ein paar Sätze, die ich mir schon von anderen Müttern anhören musste:

"Ein Kaiserschnitt ist gar keine richtig, echte Geburt. Da kannst du überhaupt nicht mitreden!"

"Eine Mutter, die ihr Kind nicht stillt, ist keine richtige Mutter."

"Du hast nach der Geburt einfach nicht den Arsch hochgekriegt! Deshalb bist du so fett. Alles andere sind nur Ausreden!"

"Dein Sohn ist nur deshalb so klein und schmächtig, weil du ihm nicht genug zu Essen gibst. Wahrscheinlich willst du so verhindern, dass er am Ende so aussieht, wie du."

"Eine Frau, die nicht stillen kann, hat einfach auf ganzer Linie versagt."

"Dein Sohn hat nur deshalb Neurodermitis, weil du ihn nicht gestillt hast!"

"Kein Wunder, dass euer Sohn zu kleine Nieren hat. Bei der Mutter...!"

"Euer Sohn hat nur deshalb keine richtige Trotzphase durchleben können, weil er wegen deiner laschen Erziehung total gestört ist!"

"Bedürfnisorientiert? Das ist nur ein anderes Wort dafür, dass du deinem Kind alles hinter'n Arsch trägst und ihn wie einen König über dich herrschen lässt."

"Wenn du dein Kind Sand essen lässt, ist es auch kein Wunder, dass es nierenkrank ist!"

"Die Narben an deinen Armen sagen schon alles über dich aus. Leute wie du, sollten gar keine Eltern werden. Die machen nur ihre Kinder kaputt!"

"Tja, wenn du so darauf stehst, dich von deinem Kind manipulieren zu lassen..."

"Bei deiner Figur solltest du lieber kein Kind großziehen. Offensichtlich hast du gar keine Disziplin im Leben!"

Keiner dieser "Ratschläge" oder Sprüche, war von mir erbeten worden. Diese Sprüche sind und waren absolut übergriffig und hatten nur einen Sinn und Zweck: Mich zu verletzen. Zu erreichen, dass ich mich klein, falsch und kaputt fühle, damit die jeweils andere sich stark und mächtig fühlen kann.

Das nennt sich "Momshaming" und ist eine ziemlich schlimme Sache. Anstatt sich zusammenzutun und an einem Strang zu ziehen; füreinander zu kämpfen, bekämpfen Mommys sich meistens gegenseitig.

Sei bitte nicht so eine! Du bist besser, als das!

Auf Facebook gab es heute eine Konversation darüber, wie man eine Großfamilie am Laufen halten soll. Finanziell gesehen. Ich schrieb, dass mein Mann und ich beide arbeiten und trotzdem reicht es vorne und hinten nicht, obwohl wir nur ein Kind hätten. Keine Urlaube, keine Freizeitausflüge, die etwas kosten. Einfach nur das Leben an sich, ist unser Anspruch. Also, Dach über'm Kopf, Warmwasser, ein Bett zum Schlafen, Kleidung und Essen. Und dass es selbst dafür teilweise nicht ganz reicht.

Eine Dame schlug auf und verurteilte mich direkt - obwohl sie mich gar nicht kennt. Sie schrieb, dass unser Kind bemitleidenswert wäre. Unterschwellig teilte sie die Ansicht mit, dass Leute, die so knapp bei Kasse seien, gar keine Kinder bekommen sollten.

Nun, als wir uns für ein Kind entschieden, waren wir auch noch nicht so knapp bei Kasse. Dann kamen zwei Jahre Pandemie und der Ukraine-Krieg, inklusive Wirtschaftskrise/Inflation. Das ist nichts, was ich mir ausgesucht hätte! Das ist nichts, was sich irgendjemand ausgesucht hätte! Das hat uns alle völlig überfahren!

Wisst ihr, sie hätte mir sagen können "Hey, das klingt ja nicht so gut. Kann man dich vielleicht irgendwie unterstützen? Meld dich doch mal bei mir. Dann können wir darüber reden." Dann hätte ich sowas geantwortet, wie: "Wow, das ist ja voll nett von dir! Wir können uns sehr gern mal unterhalten. Ich nehme kein geschenktes Geld von irgendwem an, aber wenn du magst, kannst du vielleicht mein kleines Unternehmen mit Werbung/einem Link im kleinen Rahmen unterstützen, damit ich mehr Kunden finde und fair bezahlt werde. Das wäre wahnsinnig nett und hilfreich!"

Aber hey, warum sollte man Leuten uneigennützige Hilfe anbieten, wenn man sie ebenso gut einfach verurteilen und beschimpfen kann und sich selbst dadurch viel besser fühlt? Dann hat man einen persönlichen, mentalen Nutzen aus dem Leid anderer gezogen. Das ist ja viel geiler, als uneigennützig einfach nett zu sein.

Und solche Sachen... solche Sprüche... solche Menschen... machen mich wirklich richtig fertig. Also, das schneidet wirklich tief. Weil mir dieser Schuh passt. Weil ich mich sowieso jedes Mal, wenn mein Sohn einen Wunsch hat und ich ihn aufgrund fehlender finanzieller Mittel ablehnen muss, vorkomme, wie die schlechteste aller je dagewesenen Mütter! Weil es mir richtig körperlich weh tut, meinem Sohn sagen zu müssen, dass wir keinen Urlaub in Paris machen können, wie einer seiner Kindergartenkumpel.

Und wenn Personen, die (laut ihres Profils) selbst bei der Deutschen Bahn arbeiten, Haus, Hunde, Pferde, teure Autos und Ehemänner im gehobenen, öffentlichen Dienst haben, mich dann verurteilen, dann trifft mich das tatsächlich.

Der rationale Teil meines Ichs weiß, dass mich das nicht treffen sollte. Das tut es aber. Es verletzt mich an einer Stelle, die so tief drin sitzt, dass ich sie nicht erreichen kann, um ein Pflaster draufzukleben.

Warum tun Mütter anderen Mütter das an? Ist ihr eigenes Leben so armseelig und leer, dass sie ihre Lebensenergie daraus ziehen müssen, andere zu verletzen?